Das bringt generative KI für Unternehmen

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Generative KI kann Beschäftigte entlasten, Prozesse optimieren und bietet innovative Möglichkeiten für unterschiedliche Branchen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Das Anwendungsspektrum reicht von der Textanalyse und -produktion über Produktdesign bis hin zur Generierung von Programmcode. Für einen verantwortungsvollen Einsatz der Technologie sind Qualitätsstandards und Kompetenzen im Umgang mit den KI-Systemen gefragt.

Anpassbares System für alle Branchen

Das wirtschaftliche Potenzial generativer KI-Modelle ist enorm und vielversprechend. Ein wichtiger Grund dafür liegt in ihrer Wiederverwendbarkeit: Die aufwändig trainierten Modelle lassen sich an branchen- und unternehmensspezifische Anforderungen anpassen. Nötig dafür ist nur ein geringer Umfang an unternehmenseigenen Daten; das Trainieren eines eigenen KI-Modells kann entfallen. Dies ermöglicht Anwendungen, die bislang aufgrund zu hoher Kosten, fehlender Trainingsdaten oder fehlender Expertise in Data Science nicht möglich waren. Für Unternehmen bieten sich damit viele, auch noch ungeahnte Einsatzmöglichkeiten.

Viele Anwendungsfälle fokussieren auf geschäftsunterstützende Bereiche und den Service. Generative KI verspricht beispielsweise einen verbesserten Informationszugang für Beschäftigte sowie die Automatisierung und Optimierung von repetitiven und potenziell fehleranfälligen Prozessen. Dies spart Zeit und Kosten – und schafft mehr Raum für Kreativität.

Einsatzfelder für generative KI

Analyse und Erstellung von Medieninhalten

Generative KI kann die Inhalte von Texten (auch großer Textmengen) zusammenfassen und auf Befehl eigene Texte im gewünschten Stil generieren. Nutzen lässt sich dies etwa für die Erstellung von Web- oder Social Media-Content, Produktbeschreibungen oder Nachrichtentexten. Zudem unterstützt generative KI beim Erstellen von Sitzungsprotokollen oder die Zusammenfassung von wissenschaftlichen Studien. Generative KI-Systeme sind auch in der Lage, fotorealistische Bilder, 3D-Inhalte, Videos, Animationen oder Musik zu erzeugen – etwa für Architektur, Werbung und Marketing.

Produktdesign und -entwicklung

Auch neue Designideen in der Produktentwicklung lassen sich mit Hilfe von generativer KI entwickeln. Diese lernt aus vorhandenen Vorlagen, in Sekundenschnelle ansprechende und funktionale Designalternativen zu liefern. Damit beschleunigen sich Entwicklungsprozesse erheblich.
Beispiel: Eine Agentur ist beauftragt, die Website eines Kunden attraktiver zu gestalten. Anhand von Informationen und Vorgaben aus dem Kundenbriefing zu Branche, Produktspektrum, Farbwelt oder Design schlägt das generative KI-System in Sekundenschnelle mehrere Varianten für den Aufbau der Webseite vor, die dem Webdesigner als Inspiration für die kundenspezifische Anpassung dienen.

Verarbeitung von Dokumenten

Geschäftsdokumente werden zwischen und innerhalb von Unternehmen oft im PDF-Format oder auf Papier ausgetauscht und müssen vom Empfänger elektronisch erfasst werden. Generative KI kann solch repetitive Aufgaben erleichtern und automatisieren, indem sie die relevanten Informationen im Dokument erkennt, extrahiert und mit Geschäftsdaten anreichert bzw. verknüpft.

Digitale Assistenten

Generative KI bietet die Basis für digitale Assistenten in Geschäftsanwendungen. Diese können Beschäftigte deutlich entlasten – beispielsweise durch Navigations- und Suchhilfen innerhalb einer Applikation („Ich möchte eine neue Stelle ausschreiben“) oder das Beantworten von Wissensanfragen („Welche offenen Stellen für Berufseinsteiger haben wir in unserer Abteilung aktuell?“). Die Eingabe kann flexibel in natürlicher Sprache erfolgen, was für Anwendende komfortabel und einfach zu erlernen ist. Im Gegensatz zu einfachen Chatbots, die in der Regel nur simple Aufgaben ausführen und FAQ-ähnliche Fragen beantworten können, werden digitale Assistenten über Applikationsgrenzen hinweg arbeiten, den Kontext der Nutzenden in Betracht ziehen und sich durch Personalisierung immer weiter auf diese einstellen können.

Kundensupport

Generative KI-Modelle schaffen personalisierte Benutzererlebnisse, indem sie aus dem Verhalten der Nutzenden lernen und individualisierte Inhalte und Empfehlungen generieren. Chatbots können Fragen im Kundensupport intelligenter als bislang beantworten – sei es schriftlich oder über Sprachausgabe.

Übersetzungen durch Künstliche Intelligenz

Generative KI-Modelle können auf eine Vielzahl von Sprachen trainiert werden und Text in Echtzeit von einer Sprache in eine andere übersetzen. Dabei sind sie in der Lage, die übersetzten Sätze in der Zielsprache präzise und oft sogar mit professionelleren Formulierungen darzustellen.

Entwicklung von Software

Generative KI wird auch in der Softwareentwicklung eingesetzt – sei es, um fehlerhaften Programmcode zu erkennen oder die Erstellung maßgeschneiderter Software zu automatisieren.
Beispiel: Ein Softwareentwickler erteilt einer generativen KI anhand einfacher natürlichsprachlicher Beschreibungen den Auftrag, einen Code für eine bestimmte Anwendung zu generieren. Diese liefert in kürzester Zeit verschiedene Vorschläge, die der Softwareentwickler prüft, um neue Software zu realisieren oder vorhandenen Programmcode zu aktualisieren. Der Zeitaufwand für das Codeschreiben sinkt dadurch erheblich, der Entwicklungsprozess wird beschleunigt und die Qualität verbessert. Denn mit jedem neuen Auftrag an den digitalen KI-Assistenten werden dessen Vorschläge besser, da sich der Trainingsdatensatz laufend optimiert.

Gesundheitswesen

In der Medizin können generative KI-Modelle die Wirkstoffforschung erheblich beschleunigen und die Entwicklung und Wirkung von Medikamenten verbessern. Zudem können sie für eine präzisere Vorhersage von Krankheitsverläufen eingesetzt werden sowie bei Dokumentation und administrativen Aufgaben unterstützen.

Einsatzpotenzial von generativer KI in unterschiedlichen Industriezweigen

Worauf es beim Einsatz von generativer KI ankommt

Kreative Unterstützung, Arbeitserleichterung und höhere Produktivität sind vielversprechende Vorteile von generativer KI. Für einen verantwortungsvollen und erfolgreichen Einsatz der Technologie müssen jedoch auch Rahmenbedingungen im Unternehmen geschaffen werden.

  • Reflexion: Generative KI kann in Unternehmen jeder Größe und Branche zum Einsatz kommen und wirkt sich auf Aufgaben, Arbeitsplätze und soziale Dynamiken aus. Diese gilt es zu verstehen und offen zu benennen, um gegebenenfalls negative Effekte zu minimieren bzw. entgegenzusteuern.
  • Souveräner Umgang: Beschäftigte, die mit generativen KI-Systemen arbeiten, benötigen ein grundlegendes Verständnis für die Technologie, damit sie Potenziale und Risiken bewerten können. Dazu sind entsprechende Weiterbildungsmaßnamen nötig. Wichtig ist zudem, den Beschäftigten im Umgang mit generativer KI einen Entscheidungs- und Handlungsspielraum zu geben, damit sie eigenständig handeln können.
  • Kritische Haltung: Die Qualität und Authentizität der generierten Inhalte hängen im Wesentlichen von der Auswahl und Kuratierung der Trainingsdaten ab. Generative KI-Systeme können auch ungenaue, unlogische oder von der Realität abweichende Ergebnisse produzieren, einschließlich gesellschaftlicher Vorurteile. Oft ist nicht transparent, welche Datenquellen genutzt werden. Daher ist es wichtig, die Ergebnisse stets kritisch zu hinterfragen und auf Plausibilität oder Richtigkeit zu überprüfen.
  • Qualitätskontrolle: Generative KI-Modelle lernen laufend durch neue Daten und Eingaben dazu. Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass die Systeme auch nach längerem Einsatz zuverlässige und nicht-diskriminierende Ergebnisse liefern.  
  • Transparenter Einsatz: Bei vielen generativen KI-Systemen ist nicht klar, wie sie zu ihren Ergebnissen gelangen und auf welchen Datenquellen sie basieren. Unternehmen sollten daher den Einsatz von generativen KI-Modellen stets transparent machen – dies als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber Kunden, Mitarbeitenden und anderen Stakeholdern.
  • Datenschutz: Verbindliche unternehmensweite Regeln sollten sicherstellen, dass bei der Nutzung der Systeme ein datenschutzkonformer Umgang mit personenbezogenen oder sensiblen Daten gewahrt bleibt.

Welche Kompetenzen sind gefragt

Beschäftigte und Unternehmen müssen im KI-Zeitalter geeignete Kompetenzen aufbauen – sowohl zur Entwicklung bzw. Programmierung von KI-Systemen als auch im Umgang mit KI-basierten Werkzeugen oder Assistenzsystemen.

Für einen souveränen Umgang mit generativer KI benötigen Beschäftigte:

  • Grundlegendes Verständnis, was generative KI ist und wie sie funktioniert
  • Je nach Branche und Funktion ein gewisses Domänenwissen
  • Kritisches Denken und die Fähigkeit, Informationen zu bewerten und zu überprüfen
  • Bewusstsein über ethische Aspekte bei datengetriebenen Anwendungen, z.B. Bias und Fairness
  • Eigenständiges, problemlösendes Handeln

Bei aller Unterstützung durch generative KI im Arbeitsalltag ist es wichtig, grundlegende fachliche Kompetenzen nicht zu vernachlässigen.

Die Entwicklung und Implementierung von generativer KI im Unternehmen erfordert eine Übersetzungsleistung von der jeweiligen Domäne in Aufgaben der Sprachmodelle. Dies setzt eine Zusammenarbeit in interdisziplinären Teams und folgende Kenntnisse voraus:

  • Tiefes Domänenverständnis
  • Grundkenntnisse in der Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, kurz NLP)
  • Erfahrung in der Programmiersprache Python
  • Kenntnisse zu gängigen Bibliotheken für Open Source-Modelle und Trainingsdaten
  • Grundkenntnisse in maschinellem Lernen zu großen Sprachmodellen, insbesondere Transformer  

Und zusätzlich:

  • Kenntnisse von Anpassungsmethoden wie Prompt Engineering
  • Grundkenntnisse zu DevOps und MLOps, also zu Entwicklungs- (Dev) und Betriebsansätzen (Ops) im Rahmen von Machine-Learning-Projekten
  • Vertiefte Kenntnisse von Frameworks für das verteilte Berechnen des Stochastic Gradient Descent
  • Erfahrung mit Visual Language Modellen sowie multi-modalen Modellen im Allgemeinen

Die für die Entwicklung und Anpassung von generativer KI erforderlichen technologischen Kenntnisse werden in Deutschland aktuell an verschiedenen und vermittelt.

Open-Source-Community stärken

„Große Sprachmodelle revolutionieren Geschäftsanwendungen: Sie eröffnen neue Dimensionen in der Interaktion mit digitalen Assistenten und erhöhen die Flexibilität bei der Informationsextraktion aus Dokumenten. Um diese Möglichkeiten breit nutzbar zu machen, bedarf es einer soliden Grundlage für mehrsprachige, transparent trainierte Modelle. Daher empfehlen wir, die Open-Source-Community in Bezug auf Daten und Rechenleistung zu stärken, um diesen Fortschritt zu fördern.“

Dr. Johannes Hoffart, Chief Technology Officer AI Unit bei SAP

Wie profitiert die Wirtschaft von Sprachmodellen?

„Viele Unternehmen wollen Sprachmodelle einsetzen. Leider gibt es kaum Angebote leistungsstarker deutschsprachiger Modelle. Ein starkes Curated and Made in Germany Open-Source-Angebot kann neuen Wettbewerb schaffen. Dafür sind nur 20 Terabyte, also zehn Laptop-Festplatten, deutschsprachiger Daten nötig. Die zentrale Conditio sine qua non ist daher ein Open-Source-Projekt, das diese Daten kommerziell nutzbar macht und lizenzfrei anbietet. Anstatt Regulatorik empfehlen wir Open Source, damit eine breite Community eine sichere KI gestalten kann.“

Prof. Dr. Alexander Löser, Gründer und Sprecher des Forschungszentrums Data Science an der BHT Berlin

Publikationen zum Thema

Große Sprachmodelle entwickeln und anwenden: Ansätze für ein souveränes Vorgehen

AG Technologische Wegbereiter und Data Science
AutorInnen: Löser, A., Tresp, V. et al.
Erschienen: Dezember 2023

Große Sprachmodelle: Grundlagen, Potenziale und Herausforderungen für die Forschung

AG Technologische Wegbereiter und Data Science
AutorInnen: Löser, A., Tresp, V. et al.
Erschienen: Mai 2023