3 Fragen an

Elsa A. Kirchner

Leitende Mitarbeiterin am Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), Bremen, und Mitglied der Plattform Lernende Systeme

Elsa A. Kirchner

KI-Entwicklung: Weit mehr als nur Programmieren

Beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) geht gern mal die Phantasie durch. Roboter, die sich unkontrolliert weiterentwickeln und die Weltherrschaft übernehmen, sind und bleiben Science Fiction – trotz aller technologischen Fortschritte, die aktuell erzielt werden. Spannend und lohnend ist es dennoch, sich mit Künstlicher Intelligenz zu beschäftigen: Selbstlernende Systeme und Roboter werden in den kommenden Jahren unseren Alltag durchdringen und erleichtern: als Fahrerassistenzsystem im Auto, als intelligenter Helfer in der Produktion oder als dienstbarer Geist im Smart Home. Fachkräfte für KI werden auf dem Arbeitsmarkt bereits händeringend gesucht und auch in klassischen Berufsfeldern sind künftig Kompetenzen im Umgang mit KI-basierten Systemen gefragt. Gründe genug für junge Menschen, darüber nachzudenken, beruflich „irgendwas mit KI“ zu machen. Warum das Thema fasziniert und worauf es bei der KI-Entwicklung ankommt, erläutert unser Mitglied Elsa A. Kirchner anlässlich des bundesweiten Girl’s Day.

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Wie beeinflusst Künstliche Intelligenz unser Leben – heute und in Zukunft?

Elsa A. Kirchner: Schon heute begleitet uns KI im Alltag und vereinfacht unser Leben. Beispiele hierfür sind Navigationssysteme in Autos, Smartphones oder Geräte im so genannten Smart Home, wie etwa Amazon Echo. Sie verstehen unsere Sprache und ermöglichen so einfache Spracheingaben. Einige der dahinterstehenden KI-Systeme lernen, insbesondere durch unsere Internetnutzung, unsere Vorlieben und Interessen immer besser kennen – zumeist mit dem Ziel, individuell passende Werbung zu platzieren. In Zukunft helfen möglicherweise die Gesundheitsdaten, die wir mit verschiedenen Apps auf unseren Smartphones sammeln, medizinische Diagnosen zu unterstützen und die Prävention zu verbessern. Weitere mögliche Anwendungen ergeben sich aus dem Erkennen von Bewegungen und Lernen von typischen Bewegungsmustern: Die Identifikation von Personen, die heute bereits über KI-gestützte Systeme per Gesichtserkennung erfolgt, wird dadurch noch präziser – und kann beispielsweise die Sicherheit an Flughäfen erhöhen.

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Was fasziniert Sie an der Entwicklung von KI?

Elsa A. Kirchner: In meiner Forschung beschäftigte ich mich schwerpunktmäßig mit dem künftigen Einsatz von Künstlicher Intelligenz für die Mensch-Maschine-Interaktion, zum Beispiel in der Pflege und Rehabilitation. Dort fasziniert mich insbesondere die Möglichkeit, individuelle Modelle über den Menschen zu lernen – etwa über die Stärken und Schwächen des menschlichen Bewegungssystems nach einer Erkrankung oder Verletzung. Lernt man diese Modelle mit entsprechenden Daten an, lassen sich robotische Assistenzsysteme online an die individuellen Bedürfnisse des Nutzers anpassen. Die Assistenzsysteme lernen also mit Hilfe von KI, welche Vorlieben und Bedarfe eine Person generell oder in bestimmten Situationen hat – und können sie passgenau unterstützen. Ein Beispiel: Ein KI-basiertes Exoskelett unterstützt Reha-Patienten nur so weit, wie es je nach Tagesform oder in einer bestimmten Situation tatsächlich notwendig ist. Damit schafft es ideale Bedingungen für die Rehabilitation. In Zukunft werden KI-Systeme nicht nur auf Basis einer Modalität (z.B. Bilddaten) lernen, sondern ihre Informationen aus verschiedenen Quellen ziehen – seien es Bilddaten, Bewegungsdaten, biographische Daten oder Biosignale. Dadurch können sie noch genauere oder individuellere Annahmen treffen. Hierfür neue Methoden oder Ansätze zu entwickeln und zu validieren, ist eine große Herausforderung und faszinierende Forschungsfrage.

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Welche Voraussetzungen sollten Absolventinnen für die KI-Forschung mitbringen?

Elsa A. Kirchner: Absolventinnen sollten unbedingt den Wunsch haben, über die Domänengrenzen der Informatik hinaus zu blicken. Es reicht in der KI-Forschung nicht, nur programmieren zu können oder Frameworks und Tools zu nutzen oder „nur“ einen besseren Algorithmus für eine spezielle Methode des maschinellen Lernens zu entwickeln. Vielmehr geht es darum, neue Ansätze mit übergreifenden Methoden zu entwickeln, die einen nächsten großen Schritt in der KI-Forschung erlauben.

Das Interview ist für eine redaktionelle Verwendung freigegeben (bei Nennung der Quelle © Plattform Lernende Systeme).

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