Rettungseinsatz vor Ort – Wie selbständige Roboter helfen könnten
Ein Expertenbeitrag von Sirko Straube und Frank Kirchner
Spricht man mit Menschen, die als Rettungskräfte bei Katastropheneinsätzen oder Unfällen für andere ihr Leben riskieren, dann stellt man fest: Eine gute Übersicht ist entscheidend für den erfolgreichen Verlauf eines Einsatzes. Da sich der Mensch jedoch in vielen Fällen nicht ungefährdet einen Überblick verschaffen kann, geht vor Ort oftmals wertvolle Zeit verloren und es bleibt ungewiss, was die Rettungskräfte erwartet.
Die Verbindung von Robotik und Künstlicher Intelligenz (KI) könnte daran in Zukunft etwas ändern – indem selbstständige Roboter die gefährliche Aufgabe der Lageerkundung unterstützen oder gar übernehmen. Sie können einsturzgefährdete Gebäude betreten und diese kartieren, Brände überfliegen oder radioaktive Strahlungen messen – und so das Gefahrenpotential für die Rettungskräfte ausloten. Sogar das Aufräumen bestimmter – beispielsweise kontaminierter – Gebiete ist mit teilautomatisierten robotischen Fahrzeugen denkbar. Mit Hilfe von KI können all diese Systeme selbstständig arbeiten, ohne dass ein Mensch sie fernsteuern muss. Dies ist auch notwendig, damit Roboter schnell und effizient relevante Gefahren oder Einsatzziele identifizieren.
Sinnvolle Arbeitsteilung
Sicher ist: Roboter können keine Entscheidung in Bezug auf Menschenleben treffen. Die Technologie befähigt die Systeme noch nicht ausreichend zu derart komplexen Entscheidungen, für die man beispielsweise intuitive Fähigkeiten benötigt sowie die Möglichkeit, situativ auf Basis von Erfahrungen zu entscheiden. Selbst wenn Roboter diese Fähigkeiten erreichen, müssen erst die entsprechenden Handlungsspielräume solcher Systeme in einem breiten gesellschaftlichen Konsens gesetzt werden, um zu klären, was durch Roboter entschieden werden kann und was nicht. Absehbar wird sich daher an der Rolle des Menschen nichts ändern: Menschliche Einsatzkräfte sind für die Hilfe nach Katastrophen oder Unfällen zentral und unverzichtbar.
Roboter, die sich mit Hilfe von KI selbständig verhalten, können aber einen neuen, ergänzenden Teamplayer mit neuen Eigenschaften darstellen. Es geht also um Arbeitsteilung. Das Ziel ist, durch eine verbesserte Informationslage die Gefahren für die Einsatzkräfte vor Ort zu minimieren. Diese gewinnen gleichzeitig wertvolle Zeit: Während der Roboter ein Lagebild erstellt, können die Einsatzkräfte mehr Aufmerksamkeit auf wichtige Aspekte bei der Durchführung des Einsatzes lenken. Veränderte Lagebilder können dabei jederzeit in das laufende Vorgehen eingeplant werden.
Lernfähigkeit wünschenswert, aber noch begrenzt
Damit dieses Szenario funktioniert, müssen die Roboter von den Rettungskräften als echte Unterstützung und verlässliche Team-Partner wahrgenommen werden. Die Roboter müssen in der Lage sein, eigenständig ihre Aufgaben zu erfüllen und dabei flexibel auf neue Situationen zu reagieren. Erst wenn robuste Systeme mit diesen Eigenschaften auf dem Markt sind, können sie auch weiterentwickelt werden, dazu lernen und Erfahrungen aufbauen. Durch Cloud-Architekturen können dann auch mehrere Robotersysteme einen Erfahrungsschatz teilen und hierdurch gemeinsame Modelle lernen.
Technisch ist der Prototyp eines selbstständigen Roboters für eine Anwendung im Rettungseinsatz heute schon machbar. Das zeigen Beispiele von hochmobilen Robotern, die eigenständig unbekanntes Gelände erkunden und kartieren (siehe Abbildung 1 und 2). Allerdings: Die Entwicklungskosten sind hoch und die Systeme müssen mit viel Aufwand noch robust und verlässlich gemacht werden, um im Einsatz eine echte Hilfe zu sein. Der Bedarf ist da, der Markt für die Technologie entsteht gerade erst.
Gastbeitrag erschienen auf:
www.wissenschaftsjahr.de
14. April 2019