Innovationsturbo KI im Handwerk

Ein Expertenbeitrag von Prof. Dr. Wolfgang Wahlster, Chefberater des DFKI und Mitglied des Lenkungskreises der Plattform Lernende Systeme

Wolfgang Wahlster (© Jim Rakete)

Künstliche Intelligenz (KI) hat sich zur Speerspitze der Digitalisierung entwickelt. In den letzten zehn Jahren haben alle erfolgreichen Handwerksbetriebe die erste Welle der Digitalisierung durchlaufen: Messwerte werden digital erfasst, Daten werden digital gespeichert, Information wird digital übertragen und verarbeitet. Derzeit rollt nun mit der KI eine zweite Welle der Digitalisierung auf das Handwerk zu, die als Innovationsturbo für Geschäftsmodelle, Betriebsprozesse und Kundenangebote wirkt.

Mit KI wird es nämlich erstmals möglich, auch die Inhalte digitaler Daten zu erkennen, zu analysieren und damit letztlich zur Wertschöpfung zu nutzen. Mit einem Smartphone kann der Handwerker über ein Video beim Kunden von einem KI-System einen seltenen, ihm bislang nicht bekannten Objektzustand direkt vor Ort und in wenigen Sekunden erkennen lassen und passende Handlungsempfehlungen abrufen. Durch maschinelles Lernen über sehr großen Mengen von Trainingsdaten übertreffen KI-Systeme oftmals die Leistungen selbst von Experten.  

Durch das Internet der Dinge, die Cloud und Echtzeitkommunikation über SG wird zukünftig für Handwerksbetriebe der Zugriff auf alle relevanten Sensordaten bei ihren Kunden möglich, so dass KI-Systeme zur Ferndiagnose, -wartung und -reparatur einsetzbar werden. Neue kostensparende Geschäftsmodelle wie die prädiktive Instandhaltung, bei der ein Handwerksbetrieb durch eine KI-Analyse von Sensordaten die Notwendigkeit einer Wartung als Ersatz für die routinemäßige vorbeugende Wartung ermittelt, werden mit den neusten Verfahren des „Deep Learning" praktisch umsetzbar. Mobile, kostengünstige Leichtbauroboter (sog. Cobots) können dem Handwerker bei seiner physischen Arbeit assistieren und ihn bei monotonen Arbeiten entlasten.

Mit KI wird es erstmals möglich, auch die Inhalte digitaler Daten zu erkennen, zu analysieren und zur Wertschöpfung zu nutzen.

Roboter können aber Handwerker im Gegensatz zu Fabrikarbeitsplätzen auch langfristig nicht ersetzen. Der Begriff „Handwerk" betont ja die herausragende Bedeutung der sensor-motorischen Intelligenz des Menschen. Die Leistungen der menschlichen Sinne sind auch in den nächsten Jahrzehnten im Zusammenspiel mit dem universell einsetzbaren Werkzeug „Hand" nicht durch Roboter zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen. Insgesamt hat die KI das Potenzial, Handwerksbetriebe zukunftssicherer, kundenfreundlicher und vor allem profitabler zu machen.

Gastkommentar erschienen in:

Deutsche Handwerkszeitung DHZ
26. Juni 2020

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