Erfolgreich zusammenarbeiten mit Kollege KI

Ein Expertenbeitrag von Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und Mitglied der Plattform Lernende Systeme

Künstliche Intelligenz (KI) begegnet uns immer öfter auch am Arbeitsplatz. Was wir im Umgang mit KI-Systemen lernen müssen und wie das gelingt, erklärt Wilhelm Bauer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO.

Wie wird KI unsere Arbeitswelt verändern

Wilhelm Bauer ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO

So wie das Internet in den letzten Jahrzehnten die Arbeitsprozesse verändert hat, werden intelligente Algorithmen und Lernende Systeme zu einem grundlegenden Wandel unserer Lebens- und Arbeitswelt beitragen. Große Potenziale zeigen sich im technischen Fortschritt etwa für neue Anwendungslösungen in der industriellen Produktion und in der Dienstleistung – insbesondere im Bereich der Kundeninteraktion. KI verändert den Arbeitsalltag auf unterschiedliche Weise: Indem einfache Arbeitstätigkeiten sukzessive automatisiert werden, verändern sich die Aufgabenprofile der Mitarbeitenden. Kommunikative Aufgaben mit erweiterten Entscheidungskompetenzen gewinnen an Bedeutung.

Ich habe allerdings keine Sorge, dass uns durch den KIEinsatz die Arbeit ausgehen wird. Allerdings werden wir tendenziell flexibler und mobiler arbeiten. Der berufsbegleitenden Qualifizierung wird in diesem Zusammenhang eine enorme Bedeutung zukommen, um Beschäftigte angesichts veränderter Tätigkeitsanforderungen zu guter Arbeitsleistung zu befähigen.

Auf welche neuen Fähigkeiten der Beschäftigten kommt es dabei in Zukunft an?

Im Rahmen einer Unternehmensstudie haben wir diese Frage mit betrieblichen Fach- und Führungskräften erörtert. Diese artikulierten einen hohen Bedarf an Fach-, KI- und Digitalkompetenzen im Zuge der KI-Einführung: Informatikerinnen und Informatiker müssen die Methoden des Maschinellen Lernens und der Data Science beherrschen. Gleichzeitig reichen digitale Kompetenzen für den Arbeitserfolg allein nicht aus, ebenso wichtig ist das sogenannte Branchen- oder Domänenwissen.

Wer KI etwa in der industriellen Produktion anwenden will, muss über profundes Produktionswissen verfügen. Bei der Einführung von KI in Unternehmen gewinnt außerdem die agile Projektarbeit zunehmend an Bedeutung: Zentral sind hier auch soziale, kommunikative Fähigkeiten und Selbstkompetenzen, wie Eigeninitiative, Kreativität oder Problemlösungsfähigkeit. Durch den KI-Einsatz entstehen auch ethische Fragen, KI-Expertinnen und -Experten müssen daher die Folgen des Technikeinsatzes abschätzen können, um sozial unerwünschte oder gar rechtswidrige Entwicklungen als solche zu erkennen und möglicherweise zu stoppen.

Wie kann die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Menschen und KI-Systemen gelingen und wie sehen geeignete Qualifizierungsstrukturen aus?

KI verändert das Verhältnis zwischen Mensch und Maschine maßgeblich. Daher müssen wir die Funktionsteilung zwischen Mensch und Maschine sowie deren Interaktion verantwortungsbewusst gestalten. Neben Produktivitätskriterien gilt es dabei die Lernförderlichkeit und die Sozialverträglichkeit von menschlicher Arbeit zu berücksichtigen. Zugleich sind Menschen durch Ausbildung und Qualifizierung für die Zusammenarbeit mit intelligenten Systemen fit zu machen. Unternehmen verfolgen beim Kompetenzaufbau unterschiedliche Strategien: Während einige bestehende Kompetenzen durch innerbetriebliche Qualifizierungsmaßnahmen weiterentwickeln, rekrutieren andere Unternehmen qualifizierten Nachwuchs oder erfahrene Expertinnen und Experten auf den Arbeitsmärkten.

Beide Vorgehensweisen stoßen gegenwärtig allerdings an Grenzen. Unsere Unternehmensbefragung zeigt, dass bei aktuellen Qualifizierungskonzepten die Integration von arbeitsplatznahem Lernen und Handeln im Zentrum steht. Dies soll die zielgerichtete Umsetzung neuer Erfahrungen in der praktischen Anwendung fördern. KI-Qualifizierungsmaßnahmen werden zudem bevorzugt als aufgabenspezifische „On-the-job-trainings“ oder Inhouse- Seminare durchgeführt. Ferner stellen wir fest, dass sich berufliche Kompetenzanforderungen immer rascher verändern. Daher müssen Unternehmen hochdynamische Qualifizierungsinfrastrukturen aufbauen, die es ermöglichen, Kompetenzbedarfe sehr schnell und exakt zu erfassen und die Mitarbeitenden zielgerichtet und individuell zu qualifizieren.

Interview erschienen in:

Fortschrittsbericht Plattform Lernende Systeme
Dezember 2022

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