„Die letzte Entscheidung muss der Mensch treffen“

Dr. Hanna Köpcke ist Gründerin und Chief Technology Officer der Webdata Solutions GmbH. Das Leipziger IT-Start-up beschäftigt rund 30 Mitarbeiter und ist eine Ausgründung aus dem „Web Data Integration Lab“, das vom Bundesforschungsministerium im Rahmen des Programms „ForMaT“ von 2010 bis 2011 gefördert wurde. Im vergangenen Herbst wurde Köpcke in den Lenkungskreis der Plattform Lernende Systeme berufen.

Frau Dr. Köpcke, was ist künstliche Intelligenz?

„Intelligent“ ist ja ein sehr allgemeiner Begriff. In der Informationstechnologie bezeichnet man ein System als intelligent, wenn es Eigenschaften und Verhaltensweisen zeigt, die man gemeinhin dem Menschen zubilligt. Das kann zum Beispiel die Fähigkeit sein, ein Bild zu interpretieren oder auf sprachliche Äußerungen zu reagieren. Im engen Sinn sprechen wir von künstlicher Intelligenz, wenn eine Maschine wahrnehmen, verstehen, handeln und lernen kann.

Wie schaffen es Maschinen, zu lernen?

Das maschinelle Lernen ist ein Verfahren, das sich auf Computeralgorithmen – also konkrete Handlungsanweisungen – stützt. Auf Basis dieser Algorithmen können lernende Systeme in Daten Muster erkennen – ohne dass der gerade interessante Einzelfall programmiert wurde. Wenn Sie zum Beispiel ein Glas fallen lassen, wissen Sie, dass es zerbricht, obwohl Sie es mit diesem Exemplar noch nicht ausprobiert haben. Sie haben aber schon einmal ähnliche Erfahrungen mit vergleichbaren Objekten gemacht. Nach genau diesem Prinzip funktioniert das maschinelle Lernen.

…das Sie auch in Ihrem Unternehmen einsetzen?

Ja! Auf Basis dieser Technologie haben wir „blackbee“ entwickelt. Das ist eine intelligente, selbstlernende Software, mit der wir die Preise aller Produkte aller Anbieter genau vergleichen können.

Was ist das Besondere an „blackbee“?

Unsere Kunden sind Hersteller oder Händler, die wissen müssen, was ein bestimmtes Produkt kostet. Das kann blackbee herausfinden, auch wenn die Informationen auf verschiedenen Websites und in unterschiedlichen Sprachen präsentiert werden. Im Moment arbeiten wir daran, noch mehr künstliche Intelligenz einzusetzen, um zusätzliche Informationen aus der Analyse von Bildern zu gewinnen. Häufig ist der Beschreibungstext nämlich sehr spärlich, etwa wenn Turnschuhe einfach nur als „weiß“ bezeichnet werden. Doch welche Farbe haben die Applikationen? Grün? Rot? Gelb? Das kann für den Preis entscheidend sein, und mit Hilfe künstlicher Intelligenz können wir diesen Unterschied feststellen.

Wo sonst stößt man heute schon auf künstliche Intelligenz?

In vielen Bereichen stehen wir noch ganz am Anfang des Einsatzes künstlicher Intelligenz. Es gibt bereits Online-Plattformen, die Nutzerdaten automatisch auswerten: Wo kommt ein potenzieller Käufer her? Zu welcher Tageszeit ist er auf der Plattform? Welches Gerät nutzt er? Auf dieser Basis bekommt man dann bestimmte Informationen angezeigt, oder eben auch nicht. Und: Sogar die Preise unterscheiden sich! Aber auch Mediziner bekommen heute schon Unterstützung durch künstliche Intelligenz. So sind Maschinen heute schon sehr gut in der Lage, Computertomographie- oder MRT-Bilder auszuwerten – vielleicht sogar schon besser als der Mensch.

Ich habe die Hoffnung, dass künstliche Intelligenz uns Menschen zeitraubende Arbeiten abnimmt und dadurch mehr Zeit für wichtige Dinge bleibt.

Akzeptieren die Menschen den Einsatz künstlicher Intelligenz?

Viele Menschen verstehen nicht, was dahintersteckt. Wenn sie erfahren, dass ein intelligentes System ihnen einen höheren Preis anbietet als einem anderen Kunden, stößt das nicht auf Begeisterung. Dazu gibt es diese diffuse Angst: Werden Maschinen autonome Entscheidungen treffen, die wir nicht in der Hand haben? Gerade im militärischen Bereich ist ja einiges denkbar, zum Beispiel Drohnen, die sich ihre Ziele selbst suchen.

Was kann man gegen solche beunruhigenden Szenarien tun?

Momentan sehe ich zwar noch keine Gefahren. Wichtig ist aber, dass die Wissenschaft sehr transparent arbeitet und dass rechtzeitig gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die letzte Entscheidung muss immer der Mensch treffen, das dürfen wir nicht den Maschinen überlassen; das gilt für den Einsatz von Drohnen genauso wie für die verbindliche Anordnung einer medikamentösen Behandlung.

Und was bringt die Zukunft?

Ich habe die Hoffnung, dass künstliche Intelligenz uns Menschen zeitraubende Arbeiten abnimmt und dadurch mehr Zeit für wichtige Dinge bleibt. Krankenpflegerinnen und -pfleger müssen heute aufwändig dokumentieren, welche Untersuchungen durchgeführt, welche Medikamente verabreicht oder welche Alarme ausgelöst wurden. Wenn das in Zukunft automatisiert geschieht, bleibt mehr Zeit, um füreinander da zu sein. Das wäre ein echter Fortschritt.

Dieser Beitrag ist Teil des Schwerpunkts „Künstliche Intelligenz“, der im "Unternehmen Region"-Magazin 1/2018 erschienen ist (Seite 26-27).

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