Journalismus

KI als Werkzeug oder Bedrohung für Medienschaffende?

Eine unabhängige, pluralistische und freie Presse ist wesentliches Element einer Demokratie. Denn eine ausgewogene, faktenbasierte und wahrhaftige Berichterstattung über Sachverhalte, Personen und politische Vorkommnisse schafft eine Grundlage für eine demokratische Meinungsbildung. Zudem ermöglicht sie die kritische Beobachtung und Kontrolle von Politik und Verwaltung. Bei der Auswahl ihrer Themen folgen journalistische Medien einer „Medienlogik“, die sich aus journalistischen Grundsätzen, technischen Rahmenbedingungen und individuellen Entscheidungen über das „Ob“ und „Wie“ der Informationsvermittlung ergibt. Aus dieser Logik resultiert, wer in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird und welche Themen und Meinungen als wichtig erachtet werden.

Wie verändert sich der Journalismus?

Die Digitalisierung löste im Journalismus einen tiefgreifenden Veränderungsprozess aus: Nachrichten verbreiten sich über das Internet und Social Media schneller und direkter, von den Nutzerinnen und Nutzern wahrgenommen werden sie individueller und damit selektiver. Und da im digitalen Zeitalter prinzipiell jeder Empfänger auch Sender sein kann, haben journalistische Medien ihre zentrale Funktion als Gatekeeper für Berichterstattung verloren. Auch geänderte Nutzungsgewohnheiten wirken sich auf den Journalismus aus. Digitale Medien werden überwiegend auf Mobilgeräten rezipiert, die Erzählweise und die Darstellung von Inhalten mussten dem angepasst werden. Künstliche Intelligenz (KI) spielt zunehmend eine wichtige Rolle – innerhalb der Redaktionen wie auch von außerhalb – und bringt neue Veränderungen und Herausforderungen für den Journalismus mit sich.

Künstliche Intelligenz kann Journalistinnen und Journalisten bei der Arbeit unterstützen und gehört in vielen Redaktionen in Deutschland und weltweit bereits zum Alltag. Besonders der investigative und der Datenjournalismus haben sich durch KI-Innovationen verändert. Redaktionen sind heute in der Lage, sehr große Datenmengen zu durchforsten und zu transformieren. Sie können viel leichter eigene Daten erheben und aufbereiten und so zusätzliche Angebote schaffen.

Einblick in den Werkzeugkasten einer Recherche-Redaktion

Die Redaktion Faktenfuchs des Bayerischen Rundfunks (BR) hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf Social Media nach Falschinformationen zu suchen und diese richtigzustellen, Gerüchten nachzugehen und Fragen der Nutzerinnen und Nutzer zu beantworten. Dazu nutzen die BR-Journalistinnen und -Journalisten vielfältige Recherche-Werkzeuge, darunter auch KI-Tools. Welche das sind, weisen sie öffentlich aus, um in ihrer Arbeit transparent und nachvollziehbar zu sein.

KI stellt den Journalismus zugleich vor neue Aufgaben. Er muss sich zunehmend mit Meldungen und Berichten auseinandersetzen, die im Internet kursieren und nicht nach journalistischen Grundregeln erstellt wurden. Die journalistische Sorgfaltspflicht einzuhalten, ist noch wichtiger, aber auch schwieriger geworden. Um solche Meldungen zu prüfen und gegebenenfalls richtigzustellen, haben viele Redaktionen eigene Fact-Checking-Abteilungen eingerichtet. Es kommt zu einer Neuorientierung des Journalismus und einer Anpassung der Arbeitsrealität, die Innovationen und Investitionen erfordert.

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Journalistische Tugenden gefragt

Die Anforderungen an Journalistinnen und Journalisten steigen mit der zunehmenden Flut an Medienerzeugnissen, die mithilfe generativer KI erstellt werden. Altbewährte Tugenden und handwerkliche Kompetenzen wie die Kontextanalyse, die Zwei-Quellen-Prüfung oder die journalistische Sorgfaltspflicht erhalten eine neue Aktualität. Mehr dazu im Interview mit Fritz Espenlaub, Journalist und Podcast Host von „Der KI-Podcast“ der ARD.

Wie genau unterstützt KI in Redaktionen?

Wie verbreitet KI-Tools in Redaktionen sind, unterscheidet sich noch sehr stark. Klar ist, dass sie im gesamten Spektrum der journalistischen Tätigkeit eingesetzt werden. Von der Beschaffung von Informationen und Daten, über Formulierungsvorschläge bis hin zur Transformation von Beiträgen für verschiedene Plattformen und Zielgruppen werden eine Vielzahl von KI-Tools, -Programmen und -Systemen genutzt; zum Teil aus eigener Entwicklung, oft aber auch aus dem Angebot großer Tech-Konzerne.

  • KI für die journalistische Recherche

  • KI für die Produktion von Medieninhalten

  • KI zur Unterstützung der Distribution

Mit KI-Systemen können Journalistinnen und Journalisten enorme Datenmengen sichten, die sich ohne technische Hilfe nicht überblicken ließen. Dies ermöglicht Analysen zu komplexen Themen, zum Beispiel aus dem Finanz- und Bankensektor. Auch für die Erschließung von großen Archiven bietet Künstliche Intelligenz enormes Potenzial. Textinhalte können automatisiert verschlagwortet und audiovisuelle Inhalte digitalisiert werden. In datenbasierten Recherchen werden KI-Systeme auch genutzt, um Muster zu identifizieren, etwa in Satelliten- oder Flugdaten. Bei der Unterscheidung zwischen seriösen Informationen und Falschnachrichten können KI-Systeme unterstützen und vertrauenswürdige Informationen und Quellen verifizieren. Zur Bekämpfung von Fake News kommt KI bereits zunehmend zum Einsatz. So arbeiten Social-Media-Plattformen mit KI-Systemen, um beispielsweise Deepfakes aufzufinden, zu blockieren oder entsprechend zu kennzeichnen.

KI-Systeme können Journalistinnen und Journalisten zudem auf weitere Informationsangebote und Stimmen zu einem Thema aufmerksam machen. Dies kann dem sogenannten Media Bias entgegenwirken, also einer voreingenommenen Berichterstattung. Viele Redaktionen nutzen bereits KI-Tools, die auf Eilmeldungen, virale Beiträge und ungewöhnliche Datentrends hinweisen. Die Redakteurinnen und Redakteure beurteilen daraufhin, ob das Thema für einen Beitrag infrage kommt, beziehungsweise ob eine tiefer gehende Recherche lohnt.

Unterstützen kann KI auch bei der Suche nach Zitaten, indem sie die Tonspur von Beiträgen oder in Audio-(visuellem-) Archivmaterial als Text darstellt und somit durchsuchbar macht. Künftig wird es möglich sein, mit Hilfe von KI auch Sprecherinnen und Sprecher im Tonmaterial zu erkennen oder Gesichter in Video-Beiträgen zu identifizieren.

Die Bereitschaft von Journalistinnen und Journalisten, KI-Tools in der journalistischen Tätigkeit einzusetzen, ist dort besonders groß, wo Routineaufgaben delegiert oder erleichtert werden können. So gehören Programme, die KI-basiert transkribieren, übersetzen und untertiteln, bereits zum Standard in vielen Redaktionen.

Einige Redaktionen setzen zudem hauseigene KI-Sprachmodelle ein, die Journalistinnen und Journalisten beim Verfassen von Beiträgen unterstützen – indem sie etwa Vorschläge für Teaser, Titel oder alternative Formulierungen liefern oder Rechtschreibung und Kommasetzung überprüfen.

Interessante Anwendungen für Redaktionen versprechen KI-Technologien, die natürliche Sprache verarbeiten oder erzeugen. Die Produkte daraus werden als synthetische Medien bezeichnet. So werden Börsen- und Sportnachrichten sowie Wetter- und Verkehrsberichte in vielen Medienhäusern nicht mehr von Menschen, sondern regelbasiert geschrieben, teilweise unterstützt von KI-basierten Sprachmodellen. Die Redaktionen sparen dadurch Zeit ein und delegieren die wenig kreative Arbeit. Gerade kurze KI-generierte Texte, die hauptsächlich Daten wiedergeben, lassen sich kaum oder gar nicht mehr von Beiträgen unterscheiden, die von Menschen verfasst wurden.

KI-generierte Moderatorinnen und Interviewpartnerinnen

Einige Medienhäuser haben Formate gestartet, in denen – bislang ausschließlich weibliche – Avatare Nachrichten und Melden vortragen. Auch als Interviewpartnerinnen kommen die Figuren zum Einsatz.

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Mithilfe von KI-Tools lassen sich auch Inhalte für kleine Interessengruppen oder ein Nischenpublikum zuschneiden. Texte, Audio- oder Videobeiträge können hierzu von KI-Systemen selbstständig aus vorhandenen größeren Materialsammlungen erstellt werden. Aufgrund fehlender personeller Ressourcen könnten solche Angebote sonst nicht abgedeckt werden.

Auch die Umwandlung von bestehenden Inhalten in andere Medienformen oder Formate für Social Media Plattformen läuft vielerorts mit KI-Unterstützung. Tools durchsuchen dazu bestehende Videos und schneiden daraus kurze Clips mit prägnanten Aussagen und geeignetem Bildausschnitt. Sie geben Prognosen über das Trendpotenzial eines Clips ab, bieten Templates für animierte Untertitel sowie Musikdatenbanken. Schnittkompetenzen werden damit fast überflüssig.

In das erweiterte Feld der Nachrichtenproduktion fallen auch Kommentare von Nutzerinnen und Nutzern. Diese kann KI vor der Veröffentlichung auf beleidigende Sprache prüfen oder aggressive Kommentare kennzeichnen oder blockieren. Hilfreich sind auch KI-Anwendungen, die Kommentare sortieren und priorisieren, um jene prominenter zu platzieren, die sich konstruktiv mit einem Beitrag auseinandersetzen.

Ziel der Distribution von Medieninhalten ist es, den Nutzerinnen und Nutzern ein möglichst passgenaues Angebot für ihre jeweiligen Interessen anzubieten und dabei gleichzeitig eine breite und relevante Nachrichtenbasis abzubilden. Künstliche Intelligenz kann diese Personalisierung unterstützen und die Zuordnung verbessern, indem auf Basis von Nutzungsdaten Persönlichkeitsprofile der Nutzerinnen und Nutzer gebildet werden.

Durch KI automatisch erstellte Untertitel erhöhen die Barrierefreiheit und den Zugang zu Medieninhalten. Ein verbreitetes Tool in diesem Bereich ist Speech2Text, das einen Standard bietet, den Nutzerinnen und Nutzer bereits von Plattformen wie YouTube gewohnt sind.

In einigen Tageszeitungsredaktionen kommt ein KI-basiertes System zum Einsatz, das prognostiziert, wie viel Reichweite – und damit Werbeeinnahmen – ein Artikel generieren wird, und eine Empfehlung abgibt, ob der Artikel online kostenlos oder kostenpflichtig angeboten werden sollte.

Neue Services für Mediennutzende und Redaktionen

Viele Redaktionen stellen mit Hilfe von KI neue Services und Angebote bereit. Einige ermöglichen personalisierte oder anschauliche Informationen. Andere bieten ein besseres Seh-, Hör- oder Leseerlebnis. Die Bilderstrecke zeigt eine Auswahl.

Mehrere Redaktionen bieten ihren Nutzerinnen und Nutzern an, sich einen Artikel vorlesen zu lassen. Die Rheinische Post online geht einen Schritt weiter: Hier lesen Stimm-Avatare der Autorinnen und Autoren ausgewählte Artikel vor. Ein Service, der nur in der Abo-Version der Zeitung angeboten wird.

Quelle

Der Tagesspiegel nutzt vielfältige Daten, um in seiner Online-Ausgabe eine Live-Karte zum Ukraine-Krieg bereitzustellen. Sie zeigt die Entwicklung der Kämpfe und Gebietsverluste. Automatisierte Datenanalysen ermöglichen es der Redaktion, aktuelle Themen dauerhaft zu beobachten und zu berichten, ohne dafür ständig Ressourcen aufzuwenden.

Quelle

Der Bayerische Rundfunk (BR) treibt Formate der Regionalisierung voran, wie das BR-Regional-Update. Nutzerinnen und Nutzer können hier einen Ort eingeben. Ein Algorithmus erstellt ihnen ein Update aus Audio-Nachrichten zu Ereignissen, die im Umkreis des Ortes passiert sind. Dazu zerteilt ein Algorithmus das lineare Audio der gesendeten Regionalnachrichten in einzelne Nachrichtenstücke und vertaggt diese mittels eines weiteren Algorithmus mit der Geolokation. So wird vorhandener BR-Audio-Content für personalisierte Inhalte nutzbar gemacht.

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Das Redaktionsnetzwerk Tamedia in der Schweiz nutzt Tools, die im Internet automatisch neue amtliche Publikationen und Meldungen erkennen, herunterladen und mithilfe von KI so aufbereiten und ausspielen, dass sie für die Nutzer auf der Tamida-Medienseite leicht erfassbar sind. Ein Service, der sonst mangels personeller Ressourcen nicht angeboten werden könnte.

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Die Stuttgarter Zeitung wertet permanent Daten zur Pünktlichkeit der Züge im S-Bahn-Netz aus. Bei starker Verspätung werden die Auswertungen für entsprechende Nachrichten genutzt. Das kann zum Beispiel über einen Alert geschehen, der die Redaktion informiert, wenn die gemessenen Werte eine relevante nachrichtlich-interessante Grenze überschreiten. Grundlage für diese Auswertung sind regelmäßig aktualisierte, maschinenlesbare Daten aus der zuverlässigen Quelle Open Data ÖPNV.

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Die Journalistenschule Reporterfabrik hat eine KI entwickelt, die Texte dahingehend überprüft, ob sie mit den Empfehlungen des verstorbenen Sprachkritikers Wolf Schneider übereinstimmen. Ist dies nicht der Fall, gibt sie entsprechende Redigiervorschläge. Mehrere Redaktionen haben das Tool implementiert, darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und das Recherchenetzwerk Correctiv. (Grafik: Mona Eing & Michael Meissner)

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Die Nordwest-Zeitung engagiert sich besonders im Bereich Audio und Podcast. Der News-Podcast erscheint täglich um 6 Uhr und fasst die neuesten Meldungen zusammen. Seit einiger Zeit werden diese nicht mehr von Redakteurinnen und Redakteuren eingesprochen, sondern von zwei KI-generierten Stimmen vorgelesen. Für die Newsredaktion brachte die Umstellung eine große Zeitersparnis und schlankere Prozesse. Der Podcast wird zusätzlich über Dritt-Anbieter wie Spotify und Alexa Flashbriefing Skill vermarktet.

Quelle

Welche Herausforderungen bestehen?

Redaktionen sind gefordert, einen transparenten und verantwortungsbewussten Umgang mit KI zu fördern und immer wieder sorgsam zu überprüfen, wo deren Nutzen, aber auch deren Grenzen liegen. Bei der Implementierung von KI-Tools und der Anpassung von Arbeitsabläufen in Redaktionen sind einige Herausforderungen zu bewältigen.

  • Abhängigkeiten: Viele KI-Systeme werden von großen Technologieunternehmen angeboten. Das birgt für Medienhäuser die Gefahr, in eine Abhängigkeit zu geraten, die die journalistische Unabhängigkeit untergräbt. Auch könnten Redaktionen darauf angewiesen sein, mit gegebenenfalls verzerrten Datensätzen zu arbeiten, die den journalistischen Grundsätzen von Ausgewogenheit und Wahrheitsgehalt zuwiderlaufen.
  • Ressourcen: Die grundlegende ökonomische Krise des Journalismus macht Innovationen schwierig. Auf dem Werbemarkt, der für die Finanzierung vieler journalistischer Angebote essentiell ist, sind digitale Plattformen zu einer übermächtigen Konkurrenz geworden. Die Zahlungsbereitschaft für Nachrichten im Internet ist nach wie vor sehr gering. Die Anzahl der eingehenden Meldungen, Presseinformationen und anderer Medienangebote ist dagegen enorm gestiegen. In den vergangenen Jahren wurden viele Stellen abgebaut, Redaktionen zusammengelegt und Recherchezeiten verkürzt. Die Arbeitsbelastung und der Zeitdruck haben zugenommen.
  • Change Management: Durch den Einsatz von KI kommt es in Redaktionen zu einer Anpassung von Prozessen und Aufgaben. Verlage, Sender und Medienhäuser stehen vor der Herausforderung, die Belegschaft von Anfang an in die Veränderungsprozesse einzubinden, eine offene Feedbackkultur zu schaffen und über Pilotprojekte Erfahrungen zu sammeln und Vertrauen aufzubauen.
 
  • Kompetenzen: In der konkreten Aufgabenteilung und Arbeitsgestaltung zwischen Menschen und KI-Systemen müssen Redaktionen darauf achten, die jeweiligen fachlichen Stärken zu nutzen und der Bedeutung des menschlichen Urteilsvermögens in den Arbeitsabläufen einen entsprechenden Stellenwert zu sichern. Medienschaffende, die KI-Systeme für komplexe Datenrecherchen einsetzen wollen, brauchen Kompetenzen in Statistik und Data Science.
  • Transparenz: Klar kommunizierte und transparente Richtlinien zum Einsatz von KI-Tools in Redaktionen sind enorm wichtig, um das Vertrauen in die journalistische Arbeit zu erhalten. Hinweise sollten darüber informieren, welche Beiträge mithilfe von KI erstellt wurden, in welchem Umfang KI beteiligt war und welchen Einfluss eine Redakteurin bzw. ein Redakteur auf das Produkt hatte. Richtlinien zum Einsatz von KI sind auch für die Mitarbeitenden wichtig, um eine Orientierung und Sicherheit für die eigene Arbeitsweise zu gewährleisten.
  • Meinungsspektrum: Nutzerinnen und Nutzer, die größtenteils oder ausschließlich personalisierte Inhalte im Internet wahrnehmen, entwickeln auf Dauer einen verzerrten Blick auf die Realität. Es können sogenannte Filterblasen oder Echokammern entstehen. Aufgabe des Journalismus ist es, die Balance zu halten zwischen personalisierter Nachrichtenausspielung und der Darstellung eines breiten Meinungsspektrums.
  • Diskriminierung: Auch die Datensätze, mit denen die KI-Systeme trainiert wurden, sind potenzielle Fehlerquellen. Sie können zu verzerrten Ergebnissen und Einschätzungen führen und den journalistischen Grundsätzen von Objektivität und Wahrheitsgehalt zuwiderlaufen. Wenn sich Medienunternehmen und Redaktionen dazu entscheiden, KI-Systeme einzusetzen, haben sie häufig keinen Einblick in und keinen Einfluss auf die Qualität der Trainingsdaten für die jeweiligen Anwendungen.

KI und Fotojournalismus: Alles nur noch generiert?

KI-Bildgeneratoren haben zu einer Demokratisierung kreativen Schaffens geführt. Jede und jeder hat die Möglichkeit, sich Bilder mithilfe Künstlicher Intelligenz erstellen zu lassen. Auch Bildbearbeitungsprogramme verfügen über immer mehr KI-Tools. Die Grenze zwischen KI-Bildern und Fotografien weicht auf. Für den Fotojournalismus ist das eine Herausforderung. Schließlich hat ein journalistisches Foto den Anspruch, eine Realität abzubilden. Eine Funktion wie den „Stempel“ in Photoshop zu nutzen, ist professionellen Fotojournalistinnen und -journalisten untersagt. Was gilt für die Nutzung von KI-Tools?

Entspannte Menschen und Flamingos am Mainufer in Frankfurt. Das Bild sieht realistisch aus, doch die Flamingos sind mit KI-Tools hinzugefügt worden. Die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung macht mit der Montage auf die neuen Herausforderungen im Fotojournalismus aufmerksam.

© Lucas Bäuml/Bearbeitung F.A.Z.mit Hilfe Künstlicher Intelligenz

„The Electrician“ lautet der Titel dieses Bildes, mit dem der Fotograf Boris Eldagsen 2023 den renommierten Sony World Photography Award gewonnen hat. Er lehnte den Preis ab, das Bild ist KI-generiert. Der Vorfall hat eine Diskussion darüber entfacht, ob ein KI-generiertes Bild eine Schöpfungshöhe erlangen kann. Eldagsen hat das Bild nämlich mehreren KI-Bearbeitungsrunden unterzogen.

© Boris Eldagsen

KI-Bildgeneratoren werden mit realen Fotos trainiert. Für Midjourney, Dall-E und Stable Diffusion sind Bilder aus dem Datensatz „Laion B“ als Grundlage verwendet worden, einem öffentlich zugänglichen Datensatz, der kostenlos der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde. Insgesamt umfasst er 5 Milliarden Bild-Text-Paare. Ob den Urhebern dieser Bilder ein Vergütungsanspruch abgeleitet werden kann, ist noch Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.

© Marina Stiefenhofer/generiert mit KI

Bild-Agenturen wie Adobe Stock oder Getty Images erzielen mit KI-generierten Bildern bereits mehr Umsatz pro Bild als mit Fotos. Stock-Fotografen laden massenweise KI-Bilder hoch. In Suchergebnissen nach Tierbildern oder Bildern eines bekannten Künstlers ist nun nicht mehr eindeutig, ob es sich um reale Fotos des Tieres oder eines Gemäldes handelt oder um KI-generierte Bilder.

© r/ChatGPT

Welche Anforderungen stellen sich an Medien und Politik?

Generell kann einem möglichen Misstrauen bei den Rezipientinnen und Rezipienten gegenüber KI entgegengewirkt werden, indem transparent gemacht wird, inwiefern und inwieweit KI für die jeweiligen Medienerzeugnisse genutzt wird. Um den vielfältigen Herausforderungen zu begegnen, sind auch Institutionen, Politikerinnen und Politiker gefragt, entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen.

Sicherheits- und Qualitätsstandards entwickeln

In kritischen Infrastrukturen wie dem Medienbereich sollten nur KI-Systeme eingesetzt werden, die gewisse Sicherheits- und Qualitätsstandards erfüllen. Eine (europäische) Zertifizierung im Rahmen des AI Acts kann das Vertrauen in KI-Anwendungen im Journalismus stärken. Die Verantwortlichen der Medienselbstkontrolle und indirekt der Politik sollten hier eng mit Medienschaffenden zusammenarbeiten, um die besonderen Anforderungen der journalistischen Arbeit im Hinblick auf Daten- und Quellenschutz, Trainingsdatenqualität oder Haftungsrisiken zu berücksichtigen.

Rechtliche Rahmenbedingungen anpassen

Bei Presserecht, journalistischer Sorgfaltspflicht, aber auch bei Fragen des Urheberrechts dürfen rechtliche Rahmenbedingungen den technologischen Entwicklungen nicht hinterherlaufen. Juristische Klarheit ist die Voraussetzung für einen rechtssicheren und vertrauenswürdigen KI-Einsatz im Journalismus.

Richtlinien für KI-basierten Journalismus erarbeiten

Standards, Ethikkodizes und journalistische Selbstverpflichtungen wie der Pressekodex müssen für den KI-basierten Journalismus angepasst oder neu geschaffen werden. Bisher haben einzelne Rundfunk- und Verlagshäuser eigene KI-Leitlinien erarbeitet, um Transparenz zu schaffen und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen verlässlichen Rahmen zu bieten.

Open Data fördern

Open-Data-Portale in Behörden und staatlichen Einrichtungen sind eine wichtige Ressource für einen datenbasierten Journalismus. Ihre Nutzung ermöglicht gleichzeitig eine größere Unabhängigkeit von kommerziellen Anbietern.

Datenzugang für Journalismus verbessern

Plattform- und Medienbetreiber verfolgen häufig eine restriktive Datenpolitik und lassen die Öffentlichkeit nicht von ihren umfangreichen Datensammlungen profitieren. Europäische Regulierungen wie der Digital Services Act sollten einen Datenzugang für Journalistinnen und Journalisten ermöglichen. Bislang ist dieser nur für zugelassene Forscherinnen und Forscher vorgesehen. Informations- und Medienfreiheit muss sich in unseren informationstechnologisch geprägten Gesellschaften auch im freien Zugang zu Daten von Plattformbetreibern und der öffentlichen Verwaltung manifestieren.

Medienkompetenz stärken

Mittels KI erzeugte oder veränderte Medienbeiträge können das Vertrauen in journalistische Institutionen untergraben. Mittels Deepfakes können bekannten Moderatorinnen und Moderatoren oder Politikerinnen und Politikern auf täuschend echte Weise falsche Worte in den Mund gelegt werden. Falschinformationen können dazu beitragen, Haltungen ohne faktische Grundlage zu verstärken. Informationsangebote an die breite Bevölkerung können und müssen darüber aufklären, wie Deepfakes von echten Beiträgen unterschieden und wie sie gemeldet werden können.

Urheberrecht

Es ist noch ungeklärt, inwieweit urheberrechtliche Leistungsschutzrechte mit der Nutzung öffentlich vorliegender Daten aus dem Internet im Widerstreit stehen. Ebenso, wie Urheber entlohnt werden können, mit deren Daten, Bildern und Texten KI-Systeme trainiert werden. Generative KI kann auch missbräuchlich genutzt werden, um konkurrierende Presseverlage zu kopieren: Mithilfe von KI-Sprachmodellen könnten Inhalte ohne eigenen Rechercheaufwand in kürzester Zeit dupliziert und unter eigenem Namen veröffentlicht werden.

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