3 Fragen an

Markus Schnell

Senior Director Software and Tools bei Infineon Technologies AG und Mitglied der Arbeitsgruppe Geschäftsmodellinnovationen der Plattform Lernende Systeme

3 Fragen an Markus Schnell

Nachhaltiger Wirtschaften mit Künstlicher Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) kann einen Beitrag zum Gelingen der Energiewende, zu einer emissionsarmen Mobilität oder umweltschonenden Landwirtschaft leisten: Der Einsatz der Technologie eröffnet Unternehmen neue Geschäftsmodelle, die eine nachhaltige Entwicklung in Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen. Allerdings ist der Energieverbrauch bei Einsatz und Entwicklung von KI-Anwendungen oft hoch. Wie Unternehmen mithilfe von KI ihren Betrieb nachhaltig ausrichten können und wie sich der ökologische Fußabdruck der KI-Systeme selbst reduzieren lässt, erläutert Markus Schnell, Senior Director Software and Tools bei Infineon Technologies AG und Mitglied der Arbeitsgruppe Geschäftsmodellinnovationen.

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Herr Schnell, wie kann Künstliche Intelligenz eine nachhaltige Ausrichtung von Wirtschaft und Gesellschaft unterstützen?

Markus Schnell: Nachhaltigkeit im engeren Sinne bedeutet, mit Ressourcen intelligent umzugehen, Energie und Material wohldosiert einzusetzen und Prozesse gut zu steuern. Heutzutage ist es zum Beispiel üblich, dass eine Bäckerei den ganzen Tag über frische Backwaren anbietet, um auch noch den Kunden, die erst kurz vor Ladenschluss kommen, eine attraktive Auswahl anbieten zu können. Das heißt aber oft, dass abends ein Teil der Backwaren in den Müll gegeben werden muss. Für die Bäckerei ist es ökonomisch sinnvoller, einen Überschuss zu produzieren als auf eventuellen Umsatz zu verzichten. Oder denken wir an eine Bäckerei mit vielen Filialen – in der einen Filiale reichen die Backwaren nicht aus, während in einer anderen viele übrig bleiben. Nachhaltig wäre es, Produktion und Verteilung an die Filialen nahe am Bedarf auszurichten. Das ist dann möglich, wenn sich der Bedarf genauer vorhersagen lässt als es mit klassischen Methoden möglich ist. Das ist eine Chance für die Künstliche Intelligenz. Sie bewährt sich insbesondere dort, wo Verbrauch und Bedarf durch viele Variablen beeinflusst werden und sich dynamisch über die Zeit ändern können.

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Und wie nachhaltig sind KI-Anwendungen selbst?

Markus Schnell: Hier sollte man unterscheiden zwischen der Entwicklung einer KI-Anwendung (dem Design und dem Training) und ihrem eigentlichen Einsatz. Ein Training verbraucht um viele Größenordnungen mehr Energie als der Einsatz des KI-Systems für einen konkreten Anwendungsfall. Die Entwicklung von Anwendungen selbst besteht aus vielen Schleifen. Zunächst müssen die KI-Entwicklerinnen und -entwickler das richtige KI-Modell auswählen und erproben. Dann müssen sie mit diesem Modell viele Trainingsrunden durchlaufen, in denen sie verschiedene Parameter des KI-Modells optimieren, um eine gut funktionierende Anwendung zu erhalten.

Nun unterscheiden sich die Größenordnungen der KI-Modelle gewaltig. Da gibt es sehr große Systeme mit Milliarden von Parametern wie sie zum Beispiel bei den bekannten Suchmaschinen eingesetzt werden. Ein solches Training ist vergleichbar mit dem CO2-Abdruck eines Langstreckenflugs. Es gibt aber auch deutlich kleinere Systeme, die sogenannte Edge-AI, die oft in batteriebetriebenen Endgeräten stecken und nur wenig Energie benötigen dürfen. Diese haben oft gerade den Zweck, das Endgerät möglichst energiesparend zu betreiben, indem die KI-Software den Großteil des Endgeräts nur dann aufweckt, wenn ein relevantes Ereignis erkannt wird. Schlussendlich lässt sich nicht pauschal sagen, ob KI-Anwendungen nachhaltig sind oder nicht. Das lässt sich nur im Kontext der Anwendung selbst beurteilen.

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Wie lässt sich der Ressourcenverbrauch von KI-Anwendungen reduzieren?

Markus Schnell: Zunächst einmal sollten Datencenter zum Trainieren komplett aus nachhaltiger Energie versorgt werden. Weitere interessante Ansätze zielen auf ein ressourcenarmes Training. Das Rad muss nicht immer wieder neu erfunden werden. KI-Modelle, die sich bewährt haben, können anderen KI-Entwicklerinnen und -entwicklern auf Marktplätzen zur Verfügung gestellt werden. Der Aufwand fürs Training entfällt dann oder wird zumindest deutlich reduziert, weil das KI-Modell nur um-, aber nicht neu lernen muss.

Will man das Rad doch neu erfinden, dann sollte man es vorzugsweise verbessern: Den Aufwand für das Training durch bessere Modelle zu reduzieren ist ein aktives und sehr dynamisches Forschungsgebiet. Zum Beispiel gibt es den Ansatz des Verbundlernens (federated learning). Hier werden Teile eines KI-Modells mit jeweils eigenen Daten trainiert und am Schluss zu einem großen Modell zusammengeführt. So wird vermieden, dass jeder Teilnehmer im Verbund das komplette Modell ausschließlich auf seinen eigenen Daten basierend anlernen muss. Die Last wird auf mehrere Schultern verteilt.

Für die Anwendung sollten die KI-Modelle ausgedünnt werden. Die vielen Millionen oder Milliarden Parameter eines großen Modells tragen in unterschiedlich starkem Maße zum Ergebnis im Anwendungsfall bei. Viele Parameter kann man nach einem erfolgreichen Initialtraining aus dem Modell entfernen.

Und schließlich sollten das Training und die Ausführung auf spezialisierter Hardware erfolgen, die für die jeweilige KI-Anwendungen zugeschnitten und energieoptimiert ist.

 

Als Mitglied der Arbeitsgruppe Geschäftsmodellinnovationen hat Markus Schnell das Whitepaper „Mit Künstlicher Intelligenz zu nachhaltigen Geschäftsmodellen“ mitverfasst.

Das Interview ist für eine redaktionelle Verwendung freigegeben (bei Nennung der Quelle © Plattform Lernende Systeme).

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