3 Fragen an

Corina Apachiţe

Leiterin der Abteilung Künstliche Intelligenz bei der Continental Teves AG & Co. OHG und Mitglied der Plattform Lernende Systeme

3 Fragen an Corina Apachiţe

Automatisiertes Fahren: „Vertrauen entsteht durch Erfahrungen“

Selbstfahrende Autos auf den Straßen sind erst in einigen Jahren denkbar. Noch wird intermodal getestet und gelernt. Entscheidend für die Akzeptanz automatisierter Fahrzeuge ist das Vertrauen, das Fahrerinnen und Fahrer den KI-unterstützten Assistenzsystemen entgegenbringen. In dem von der Plattform Lernende Systeme entwickelten Anwendungsszenario Sichere Fahrt im lernenden Auto klappt die Interaktion zwischen der Protagonistin Carla und ihrem automatisierten Fahrzeug gut. Wie Vertrauen entsteht und welche Herausforderungen noch bestehen, erläutert Dr. Corina Apachiţe im Interview. Sie leitet die Abteilung für Künstliche Intelligenz bei der Continental Automotive Teves AG & Co. OHG und verantwortet die technische Gesamtstrategie und operative Umsetzung.

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Frau Apachiţe, wie entsteht Vertrauen in selbstfahrende Autos?

Corina Apachiţe: Vertrauen entsteht durch Erfahrungen. Beim automatisierten Fahren können es direkte Erfahrungen als Passagier in einem solchen Fahrzeug sein. Oder auch indirekte, vermittelte Erfahrungen in Form von Erklärvideos, Simulationen und Erfahrungsberichten. Beides muss angegangen und ermöglicht werden. Dabei ist wichtig, zwischen objektiver und subjektiver Wahrnehmung zu unterscheiden. Auch wenn statistisch betrachtet Flugzeugunfälle deutlich seltener auftreten, fürchten wir uns als Menschen eher davor, als vor Unfällen auf Straßen. Wie sieht es beim automatisierten Fahren aus: Ist es die Angst vor dem unbekannten Neuen oder eher die Angst vor einer nachweislich erhöhten Gefahr im Straßenverkehr?

Ich bin überzeugt: Sobald der Mensch diese neue Technologie erfahren und begreifen wird, steigen auch Akzeptanz und Nutzung. Das Neue an den gegenwärtigen Entwicklungen im Bereich des automatisierten Fahrens und auch der Künstlichen Intelligenz ist, dass die Menschen, ihre Bedürfnisse, die Ethik der Technologieentwicklung und -nutzung  von Anfang an mit beachtet werden – und nicht erst wenn solche Lösungen auf der Straße sind.

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Welche Herausforderungen bestehen aktuell in der Interaktion zwischen Fahrerin oder Fahrer und dem automatisierten Fahrzeug?

Corina Apachiţe: Es gibt keine Konzepte der Mensch-Maschine-Interaktion, die nicht weiter verbessert werden können. In der Vergangenheit waren die Nutzerschnittstellen überwältigend in ihrer Komplexität. So konnten beispielsweise nur Expertinnen oder Experten einen Rechner bedienen. Heute bieten Smartphones intuitive Interaktionskonzepte. Die Beziehung hat sich gedreht: Es ist nun die Maschine, die den Menschen versteht und unterstützt. Die Maschine „bildet sich aus“, um den Menschen zu verstehen und ihn zu unterstützen. Das gilt auch für die Mensch-Maschine-Interaktion im Fahrzeug: Wir entwickeln Lösungen, die intuitiv in der Bedienung sind, die Komplexität in den Hintergrund rücken lassen und die auch fähig sind, sich aus der Interaktion mit dem Nutzer kontinuierlich zu verbessern. Das Gute ist, dass vieles aus dem Stand der Technik sich in den Innenraum des Fahrzeugs übertragen lässt. Das ermöglicht einen nahtlosen Übergang zwischen den unterschiedlichen Lebensräumen des Menschen. Herausfordernd ist dabei, das Nutzererlebnis in Echtzeit an den jeweiligen Kontext anzupassen, zu personalisieren und auch sicherheitsrelevante Aspekte zu berücksichtigen. Der Nutzer sollte sicher, vernetzt und komfortabel ans Ziel ankommen – das Mobilitätsbedürfnis wird zur Mobilitätserfahrung.

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Was hilft dem Menschen, Vertrauen in autonome Fahrzeuge aufzubauen: Rechtssicherheit und Regulierung oder intuitives Design?

Corina Apachiţe: Es ist immer eine Kombination vieler verschiedener Faktoren, auch sehr individuell gestaltet. Als Technologieanbieter müssen wir den Aufbau von Vertrauen ermöglichen. An der Entwicklung und Zuverlässigkeit der Systeme arbeiten hunderttausende von Ingenieurinnen und Ingenieuren weltweit, auch bei Continental. Die Evolution der KI muss Hand in Hand mit einer soliden ethischen und juristischen Absicherung und Regeln gehen. Eine neue Realität mit automatisiertem Fahren muss entstehen – mit Regularien, die für Programmiererinnen und Programmierer und auch Unternehmen Sicherheit schaffen. Homologation und Zertifizierung sind ein Nachweis einer unabhängigen Stelle, dass die Systeme Sicherheitskriterien erfüllen. Das ist uns bei Continental zusammen mit gemeinsamen Standards wichtig. Ein „Gütesiegel“ für automatisiertes Fahren und KI wird zum Aufbau von Vertrauen beitragen. Diese Schritte müssen gemeinsam von Fahrzeugherstellern, Zulieferern, Technologieanbietern, Forschung, Gesellschaft, Gesetzgeber, Ethikern und Endnutzern angegangen werden, um den Fortschritt zu ermöglichen.

Lösungen für die Mobilität der Zukunft zu entwickeln, ist Kreativität auf einem hoch-technologischen Gebiet. Kreativität braucht freie Räume und Reallabore, um sich an die Grenze des bis gestern als unmöglich Erachteten heran zu tasten. Reallabore für automatisiertes Fahren und KI ermöglichen auch eine direkte unmittelbare Erfahrung mit dem Neuen. Das müssen wir ermutigen und ermöglichen. „Der Scheinriese“ wird kleiner, wenn wir uns ihm nähern.

Das Anwendungsszenario Sichere Fahrt im lernenden Auto ist Teil des in der Plattform Lernende Systeme entwickelten Umfeldszenarios Intelligent vernetzt unterwegs.

Das Interview ist für eine redaktionelle Verwendung freigegeben (bei Nennung der Quelle © Plattform Lernende Systeme).

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