KI im Rechtswesen: Chance oder Herausforderung für die Demokratie?
Wie viele andere Bereiche unserer Gesellschaft, wird Künstliche Intelligenz (KI) auch die Justiz verändern. Der Einsatz von KI verspricht die Justiz zu entlasten. Für viele Gerichtsverfahren scheinen sich durch KI-Anwendungen neue Möglichkeiten für effektive Prozesse zu eröffnen. KI-unterstützte Bearbeitung ähnlich gelagerter Fälle, wie beispielsweise bei Fluggastentschädigungen oder bei KFZ-Bagatellschäden, könnte Verfahren beschleunigen. Allerdings wirft der Einsatz von KI im sensiblen Rechtsbereich ethische Frage auf. Wo der Einsatz ratsam ist und wie er im Sinne einer demokratischen Gesellschaft gelingen kann, diskutierten Fachleute mit den Gästen am 12. Dezember bei acatech am Dienstag.
Frauke Rostalski, Professorin für Strafrecht an der Universität Köln und Co-Leiterin der Arbeitsgruppe IT-Sicherheit, Privacy, Recht und Ethik der Plattform Lernende Systeme, führte zunächst in den rechtsethischen Rahmen ein. Als mögliche Anwendungsfelder für KI in der Justiz stellte sie den elektronischen (Straf-)Gerichtssaal vor, eine Strafzumessungsdatenbank und den „Iudex ex machina“, also eine Art Roboter-Richter. Dabei unterscheiden sich die Anwendungen deutlich in ihrer Autonomie: angefangen bei Software zur Entscheidungsunterstützung bis hin zu Systemen, die menschliche Rechtsanwender ersetzen.
Einsatzmöglichkeiten für KI-Technologien in der Rechtsfindung
Ein elektronischer (Straf-) Gerichtssaal überführe Tonaufzeichnungen automatisiert in ein Protokoll der Hauptverhandlung. Eine Strafzumessungsdatenbank könne dazu beitragen für vergleichbare Taten eine ähnliche Strafzumessung zu finden. Denn bisher variiere diese in Deutschland regional sehr stark, was die Akzeptanz von Strafurteilen perspektivisch gefährden könne, so Frauke Rostalski. Hier sollten Strafzumessungsdatenbanken zukünftig unterstützen, indem sie Einblick gewähren, welches Strafmaß in anderen Gegenden festgesetzt wurde. Allerdings fehlten die Personen, die Urteile klassifizieren und Daten aufnehmen können. Hier bestehe nun die Hoffnung auf Unterstützung durch KI, um diese Strafzumessungsdatenbanken automatisiert herzustellen.
Ihren Vortrag schloss Frauke Rostalski mit dem Konzept eines Robo-Richters, Iudex ex machina. Diese Entscheidungsersetzungssoftware könnte faktisch selbst Urteile fällen. Allerdings mangeln KI-Systeme einer in der Rechtsprechung zentralen Eigenschaft: dem Abwägen von Gründen. Auch sei es zentral, dass sich ändernde Rechtsprechung und Gesetzgebung vollständig berücksichtigt werden und ältere, überholte Grundsätze hingegen keine Berücksichtigung in zeitgemäßer Rechtsprechung mehr finden. Sie schloss mit dem Fazit, dass die Übernahme von Verantwortung weiterhin zentral sei in der Justiz, die letzte Entscheidung müsse der Mensch treffen. Jedoch sollten KI-Anwendungen als hilfreiches Werkzeug zur Verfügung stehen.
Ist die Justiz bereit für KI?
Stefan Schifferdecker, Deutscher Richterbund – Landesverband Berlin, bestätigte, dass der Einsatz eines Robo-Richters in Deutschland nicht absehbar ist, denn verantwortliche Entscheidungen treffe nur der Mensch. Nichtsdestotrotz werde die Justiz zukünftig nicht ohne KI auskommen. Die vorrangige Frage sei nicht ob, sondern wie schnell Unterstützung von KI zu bekommen sei. Trotz Rückgang der Anzahl an Verfahren nehme die Arbeitsbelastung zu, denn die Verfahren würden immer umfangreicher, die Dauer damit immer länger und immer mehr Daten seien zu berücksichtigen. KI-Anwendungen könnten Richterinnen und Richter nachhaltig entlasten. Jedoch benötigen auch Richterinnen und Richter Technologiekompetenz, um zu entscheiden, welche Produkte sie nutzen und vertrauen können.
Aufgabe der Richterschaft sei es dann, einen ethischen Kompass für den Einsatz zu entwickeln, um das Vertrauen in Entscheidungen zu stärken und zu gewährleisten, dass trotz Anwendung von KI gerechte Urteile gefällt werden, so Stefan Schifferdecker auf die Frage von Moderatorin Linda Treugut, Plattform Lernende Systeme, wie die richterliche Kontrolle der KI-Empfehlungen in der Praxis funktionieren solle.
Wie kann KI Verbraucher rechtlich unterstützen?
Jan-Frederik Arnold, CEO und Geschäftsführer Flightright GmbH, sprach in seinem Beitrag über die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Rechtsberatung zu Verbraucheransprüchen bei Flugverspätungen. Die Flightright GmbH berechnet mithilfe von KI die Wahrscheinlichkeit für eine Entschädigungszahlung durch die Airline. Dafür werde aus der hauseigenen Datenbank eine Vielzahl von strukturierten Daten genutzt: Beispielsweise Daten zum Flug und Wetter sowie Daten von der Flugverkehrskontrolle. Darüber hinaus gebe es Pilotprojekte mit großen Sprachmodellen, um aus eingereichten Dokumenten relevante Daten herauszufiltern. Derzeit werden alle Ergebnisse der KI zusätzlich von einem Menschen geprüft, so Jan-Frederik Arnold.
Die Schlussrunde widmete sich der Frage, wie KI in Zukunft in unserem Rechtswesen sicher und vertrauenswürdig zum Einsatz kommen kann. Frauke Rostalski hob hervor, wie wichtig es sei, Urteile anonymisiert zu veröffentlichen, damit diese ausgewertet werden können, um Vergleichbarkeit zu schaffen. Außerdem sei erforderlich, dass sich Richterinnen, Richter und Staatsanwaltschaften die erforderlichen Kompetenzen aneigneten. Stefan Schifferdecker ergänzte, dass für die Entwicklung entsprechender Werkzeuge viel Geld benötigt werde. Dazu sollten sich alle Bundesländer zusammenschließen, damit die Umsetzung nicht an zu begrenzten Mitteln scheitere. Jan-Frederik Arnold betonte nötige Kooperationen von Justiz und Legal Tech-Unternehmen bei der Entwicklung und Schaffung von Schnittstellen sowie gemeinsam genutzten Standards.
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Linda Treugut / Birgit Obermeier
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