Entlastend oder Entfremdend? Wie KI unser Leben verändert

Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt uns in vielen Lebensbereichen – sei es bei der Arbeit, in der Medizin oder der Mobilität. Die Kooperation zwischen Mensch und Maschine ist längst Realität. Aber wo sind die Grenzen für diese Zusammenarbeit? Werden wir Fähigkeiten verlernen, für die wir KI-Systeme einsetzen? Und wer trägt die Verantwortung, wenn die Maschinen Fehler machen? Über diese und weitere ethische Fragen diskutierten Expertinnen und Experten der Plattform Lernende Systeme mit über 120 Gästen am 26. September im Rahmen von acatech am Dienstag im Salon Luitpold.

Moderator Marc-Denis Weitze (acatech), Dorothea Koert, Peter Dabrock, Andrea Martin. Quelle: PLS

Dorothea Koert, Mitglied der Arbeitsgruppe Lernfähige Robotik, setzte zu Beginn den Ton für den Abend mit einem Zitat von Leo Cerny: „Der Computer ist schnell, genau und dumm. Der Mensch ist langsam, ungenau und brillant. Die Verbindung von beiden ist eine unberechenbare Kraft.“ Genau in dieser Verbindung sieht die Expertin große Chancen für die Gesellschaft. Etwa im Bereich der Pflege, in der KI-basierte Robotik Pflegefachkräfte bei notwendigen, aber lästigen Tätigkeiten unterstützt und somit mehr Raum für die Arbeit mit Patienten schafft. Die Sorge, dass Menschen durch KI ihre Jobs verlieren werden, wie seinerzeit in der industriellen Revolution des 19. und 20. Jahrhunderts, konnte Dorothea Koert vor diesem Hintergrund entkräften.

Zusammenarbeit mit KI: Ergänzen, nicht ersetzen

Andrea Martin, Leiterin des IBM Watson Centers und Mitglied der Arbeitsgruppe IT-Sicherheit, Privacy, Recht und Ethik, schloss sich dieser Einschätzung an. KI als Ganzes sei ein Werkzeugkasten, mit dem einzelne Fähigkeiten menschlicher Intelligenz nachgeahmt werden können. Einzelne KI-Systeme können dabei aber nicht die komplette kognitive Kapazität menschlicher Intelligenz abdecken. Gerade deshalb besteht in der Zusammenarbeit von Mensch und Künstlicher Intelligenz eine so große Chance, die menschliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Um seiner Verantwortung bei diesem Thema gerecht zu werden, habe IBM entsprechende Grundsätze entwickelt. So solle KI den Menschen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Daten als Input für KI gehören den Kunden. Transparenz, Erklärbarkeit und Fairness müssen immer berücksichtigt werden.

Peter Dabrock, Professor für systematische Theologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen und ebenfalls Mitglied der Arbeitsgruppe Recht und Ethik, blickte auf die Risikobewertung beim Einsatz von KI, wie sie die geplante KI-Verordnung der Europäischen Union aktuell vorsieht. Gerade bei KI-Systemen wie ChatGPT sei eine Bewertung nach Risikoklassen schwierig, da sie sehr anwendungsbezogen stattfinden muss. Abschließend merkte Dabrock an, dass er KI durchaus zutraue, ein Eigenleben zu entwickeln, sodass sie sich über den Status eines reinen Instruments für den Menschen hinausentwickle.

Regulierung: Vertrauen schaffen und Innovation ermöglichen

In der anschließenden, lebhaften Diskussion interessierten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung vor allem für die missbräuchliche Verwendung von generativen KI-Systemen wie ChatGPT –  etwa in Form von Deep-Fakes – und die notwendige Regulierung von KI. Besorgt zeigten sich die Gäste darüber, dass der Großteil des weltweiten KI-Datenschatzes und die KI-Entwicklung von wenigen Firmen kontrolliert werde. KI als disruptive Technologie habe außerdem, ähnlich wie Nukleartechnologie, eine globale Dimension und bedürfe deshalb einer globalen Regulierung.

Die Expertinnen und Experten unterstützen diesen Ansatz und betonten, dass KI sowohl eine nationale, europäische wie auch eine globale Regulierung brauche. Die europäische Regulierung müsse dabei einen Mittelweg finden, KI nicht zu wenig zu regulieren, um Missbrauchs- und Schadensrisiken zu minieren. Auf der anderen Seite dürfe man sie aber auch nicht überregulieren, weil man sonst Gefahr laufe, KI-Forschung und -Entwicklung aus Europa zu vertreiben – was die Abhängigkeit von nicht-europäischen KI-Systemen größer machen würde.

Balance finden

Inwiefern werden uns KI-Systeme in Zukunft im Alltag assistieren? Diese Frage stand abschließend zur Diskussion. Klar erscheint, dass KI-Anwendungen, etwa für die Ticket-Buchung im ÖPNV oder medizinische Apps, schon jetzt wertvolle Dienste leisten. Gleichzeitig gehe damit aber ein Kompetenzverlust einher, der dazu führen könne, dass der Mensch ohne KI-Assistenten wichtige Alltagssituationen nicht mehr problemlos bewältigen könne – schon heute könnten sich ja viele Menschen ohne Navigationsapps nicht mehr zurechtfinden. Entlastung und Entfremdung gehen so Hand in Hand und es wird darauf ankommen, zwischen beiden eine Balance zu finden.

Weitere Informationen:

Linda Treugut / Birgit Obermeier
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Lernende Systeme – Die Plattform für Künstliche Intelligenz
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